Fleischeslust


    Kolumne von Johannes Jenny


    (Bilder: zVg)

    Fleisch ist das Lebensmittel, welches das Klima am meisten belastet. Ich bin bekennender Fleischfresser – Liebhaber und Konsument von mehr Fleisch, als mein Körper benötigt. Würde ich weniger Fleisch essen, wäre ich vielleicht weniger glücklich, dafür gesunder und müsste mich nie um Themen wie Gicht, Cholesterin-Spiegel und dergleichen kümmern. Bemühe mich daher, mit wechselndem Erfolg den inneren Schweinehund zu überwinden – der Umwelt und meiner Gesundheit zuliebe meinen Fleischkonsum zu reduzieren. Im normalen menschlichen Genom stecken 2 % Neandertaler-Gene. Vermute, bei mir sind es 3 oder 4, des überwiegend fleischfressenden nächsten Verwandten des Homo sapiens. Vermutlich ist es klimatisch vorteilhaft, dass der Homo neanderthalensis ausgestorben ist und es mag auch sein, dass Ernst Haeckel im 19. Jahrhundert halt doch nicht ganz unrecht hatte, als er die Spezies «Neandertaler» mit «Homo stupidus» betitelte. Jedenfalls ist meine Fleischeslust immer wieder stärker als ich. Allen, die weniger Neandertaler sind als ich, empfehle ich dringend den Fleischkonsum zu reduzieren. Alles andere ist mit Blick auf das Klima unverantwortlich. Teilzeit-Neandertalern wie mir empfehle ich, das Laster Fleischkonsum wenigstens so ökologisch wie möglich zu befriedigen. Am besten mit Wildfleisch. Wild ist bis zum Tod bzw. bis zur Produktion von Pulver und Blei, welche dazu führen, ohne zusätzlichen Ressourcenverbrauch und CO2-Produktion entstanden. Und selbst wenn zum Beispiel ein Wildschwein nicht «im Feuer liegt», wie Jäger sich ausdrücken, war das Leben eines Wildschweines sicher insgesamt glücklicher, als das eines armen Schweines, welches gerade noch tierrechtskonform irgendwo gemästet wird. Ähnliches gilt übrigens für Krähen und Poulet. Leider gibt es keine Auerochsen mehr, doch ich finde die domestizierte Form Hausrind, zumal wenn sie in Mutterkuhhaltung gehalten wird nicht nur sympathisch, nein ich habe sie auch zum Fressen gern. Die Raufutterverzehrer Ziege, Schaf und Rind sind super: Mit ihrem genialen Innenleben bestehend aus Abermillionen von Kleinlebewesen verdauen sie für uns die Kalorien, welche auf den weltweit 70 % des Landwirtschaftslandes wachsen, die wir nicht direkt konsumieren können, weil sie nicht ackerfähig sind und wir kein Gras verdauen können. Grosser Nachteil: Die Wiederkäuer rülpsen Methan, ein wirksameres Klimagas als CO2. Da jedoch auf den 70 % des Landwirtschaftslandes mehr CO2-Äquivalente in der Form von Humus im Boden angereichert wird, kompensiert sich das. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Anita Idel in ihrem Buch, «Die Kuh ist kein Klimakiller» (ISBN- 9783731613817). Doch Vorsicht, liebe Mitneandertalerinnen und Mitneandertaler, essen Sie nur Weidefleisch. Denn Billigfleisch von Tieren, welche auch Kraftfutter fressen, sind nicht nur abartig artfremd gehalten, sie rülpsen auch Methan, das nicht kompensiert ist und noch schlimmer, sie fressen Produkte von den 30 % Ackerflächen, auf denen pflanzliche Kalorien wachsen, die auch der Mensch essen könnte. Wir bezahlen unsere Lebensmittel vorwiegend mit den Steuern. Was wir im Laden oder auf dem Wochenmarkt drauflegen, spielt kaum eine Rolle. Ist Ihnen das einheimische Weidefleisch dennoch zu teuer, essen sie welches aus Südamerika. Es gibt solches, das mit dem Schiff transportiert wurde und welches dessen Flug in die Schweiz mit CO2 bindenden Massnahmen kompensiert wurde. En Guete…


    ZUR PERSON: Johannes Jenny ist promovierter Biologe, lebt in Baden, war 24 Jahre lang Geschäftsführer von Pro Natura Aargau. Er setz sich in der Schweiz, in der Pampa und im Atlantikurwald in Argentinien für die Erhaltung von Naturwerten ein.
    johannes.jenny@bluewin.ch

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